Fast Food

Natürlich weiß ich, dass es bei uns schon seit ewigen Zeiten Selbstbedienungs-Café's, Snack Bars und ähnliches gibt. Nur habe ich mich noch nie hineingewagt. Schon von außen sind sie mir zu hektisch, kompliziert, supersmart und ... amerikanisch...! Und ich mag eben nichts amerikanisches, schon gar nicht, wenn ich es nicht kenne. Man kann sich außerdem ja so leicht danebenbenehmen. Neulich hatte ich aber mein Brotpaket vergessen, und da ich Hunger hatte, hängte ich ein Schild mit der Aufschrift: Komme gleich! Bin zu Tisch! an meine Bürotür und begab mich unguten Gefühles zur nächstgelegenen Cafeteria. Kurz entschlossen riss ich die Glastür auf und trat ein. Die Leute standen Schlange hinter einem Messinggeländer und rückten langsam, aber recht sicher vor. Ich rückte mit vor, bis es nach Beefsteak duftete. Eine weiß bekittelte Dame, die einen großen Schöpflöffel und eine Batterie von Töpfen und Pfannen mit den diversen Tagesgerichten bediente, blickte mich fest an.

"Und Sie?" - "Ein Beefsteak, bitte!" Eine Sekunde darauf reichte sie mir mit zwei Schöpflöffeln ein Beefsteak, Zwiebeln und Soße entgegen, und etwas verwirrt streckte ich meine Hände zur Entgegennahme aus. "Sie haben ja noch kein Tablett und kein Besteck, mein Herr", sagte sie streng. "Sie müssen sich doch Tablett und Besteck nehmen, bevor Sie sich anstellen." - "Ach so", murmelte ich und stieß beim Rückwärtsgehen gegen eine ältere Dame mit einer Portion Spargelsuppe, diese stieß gegen einen Herrn mit dampfender Erbsensuppe auf seinem Tablett, wobei dessen Hintermann sein Tablett und seinen Teller verlor. Dieser war aber noch leer, sodass er gar nichts über seinen Mantel verschütten konnte. Trotzdem wollte er wütend wissen, was das da vorne denn für ein Idiot sei. Ich entschuldigte mich so oft, wie es nötig war, und rückte wieder vor, die Unmöglichkeit einsehend, sich nach hinten zu begeben, wenn man erst einmal in der Schlange drin war. Eine Aufpasserin, deren Aufgabe es offensichtlich war, solch unsichere Cafeteria-Kandidaten wie mich im Auge zu behalten, reichte mir gnädig ein Tablett mit diversem Geschirr, und ich erhielt mein Beefsteak. Etwas weiter vorne sicherte ich mir einen Becher Himbeerkompott mit Sahne. "Nein, Entschuldigung", sagte ich und zeigte auf die Glastheke. "Ich möchte doch lieber die Erdbeeren dort". Die Frau hinter der Theke beurteilte jedoch die Richtung meines Zeigefingers nicht richtig, und einen Augenblick später standen zwei Blumenkohl-Omeletts und drei Schnitten mit Camembert auf meinem Tablett. "Nein, die Erdbeeren..." Ich erhielt meine Erdbeeren, aber bevor ich es geschafft hatte, die Blumenkohl-Omeletts und den Camembert wieder abzuladen, war ich schon am Kaffeeausschank. Die Kaffeefrau weigerte sich, die Blumenkohl-Omeletts entgegenzunehmen, obgleich ich ihr erklärte, dass ich keine Omeletts vertrage.

"Kaffee, Tee oder Kakao? Sie müssen sich schon entscheiden, die Leute kommen ja nicht weiter!" - "Ja, bitte", nickte ich verwirrt, denn ich war mir völlig im klaren darüber, dass ich das schwache Glied in der Kette ausmachte. Ich bekam Kaffee, Tee und Kakao.

"47,85", sagte die Frau an der Kasse. - "Ja, aber die Blumenkohl-Omeletts, der Tee, der Kakao und..." - "Ich habe alles eingebont, 47,85." Es war nichts zu machen, ich musste bezahlen. Einen Moment später stand ich im eigentlichen Restaurant mit dem Tablett hoch über dem Kopf und sah mich nach einem freien Platz um. Es gab keinen. Ich holte die Serviette hervor und platzierte sie am Kragen, in der Hoffnung, jemand werde sich erheben und gehen...

Viele waren schon fertig, aber als sie sahen, dass dort ein Gast stand, der einen Tisch suchte, blieben sie selbstverständlich sitzen. "Ist kein Platz mehr frei"? fragte ein älterer Herr mitten aus seiner Schweinshaxe heraus. Bevor ich antworten konnte, gab er mir zu verstehen, dass ich mich völlig falsch verhalten hatte. "Bevor Sie sich in die Schlange stellten, hätten sie hierher gehen, sich einen freien Tisch suchen und ihn als besetzt markieren sollen", sagte er. "Jetzt können sie hier stundenlang stehen. Es gibt hier niemanden, der aufsteht, bevor er nicht gesehen hat, wie Sie sich aus der Affäre ziehen."

Mein Magen machte sich bemerkbar mit einem kleinen stechenden Schmerz. Ich wechselte das Tablett von der linken in die rechte Hand. Das eine Blumenkohlomelett rutschte über die Kante und landete klatschend auf dem Fußboden. So diskret wie möglich versuchte ich, es mit dem Fuß unter den Tisch des älteren Herrn zu schieben. Wahrscheinlich würde ich mit meinem Tablett immer noch dort stehen, wäre mir nicht der Zufall zu Hilfe gekommen. Ein rotbackiger Mann saß an einem Ecktisch mit seiner ebenso rotbackigen Frau. Er winkte mir.

"Hören Sie mal, Herr Ober", sagte er,  "jetzt sitzen ich und meine Frau seit elf Uhr vormittags hier, und uns wurde weder etwas Kaltes noch etwas Warmes serviert! Kriegen wir jetzt ein Beefsteak, oder kriegen wir kein Beefsteak, das will ich jetzt, verdammt noch mal, endlich wissen, sonst gehen wir woanders hin"!

Vorsichtig senkte ich meinen Arm und ließ das Tablett mit den ganzen Herrlichkeiten leicht und elegant auf den Tisch gleiten, nicht ohne diesen vorher noch schnell mit der Serviette abgewischt zu haben.

"Bitte sehr, der Herr"! sagte ich dabei beflissen. "Das heutige Tagesgericht! Ein Beefsteak für sie und ein Omelett für Ihre Gattin! Das macht genau 47,85"! Der Bauersmann strahlte. "Das sieht aber richtig lecker aus, Mutter"! sagte er im breiten Dialekt und bezahlte großzügig.

Worauf ich mich zum nächsten Imbissstand begab und dort in aller Ruhe Gulaschsuppe, zwei Bockwürste, Pommes und ein Magenbitter bestellte.

 

 

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